"Ich bin zwei Berliner"

Mit dem sprichwörtlichen "Berliner" wird nicht nur ein Zitat von historischem Rang auf immer verbunden sein, sondern sein gebackenes Pendant ist auch seit Jahrzehnten das Markenzeichen des Silvesterlaufs des Post SV Gütersloh. Mir erschien das allerdings als eine eher fragwürdige Entwicklung, da seine Zutaten augenscheinlich nicht leistungsfördernd sind. Nun ja, zugegeben, die Macher und freundlichen Helferinnen und Helfer des Silvesterlaufs haben die Tradition auf ihrer Seite, aber trotzdem war eine Überprüfung des Konzepts angezeigt.

Ich meldete mich somit gleich zur 5 und 10 Km Variante an, um diese zentrale Frage endgültig beantworten zu können. Klare Sache, das im Gegensatz zu mir, viele LG Burgler ihre Skepsis schon lange überwunden hatten und den Lauf seit Jahren für ein kleines Familientreffen nutzten (https://www.lgburg.de/news/770-lg-burg-aktuell-neujahr-2024).

Fast 1.000 Laufbegeisterte trafen sich diesmal an der Tur Abdin Sportstätte, die immerhin seit 2001 die Heimat des deutschlandweit ersten aramäischen Fussballvereins ist. Es mag an der meist heiteren Stimmung am letzten Tag des Jahres liegen, aber die schlichte Startaufstellung auf der Siedlungsstrasse in Hörweite des belebten Nordrings, besticht durch eine warmherzige Atmosphäre und der locker heiteren Erwartung auf das Geschehen. Überall wurde gescherzt, gelacht und herzlich auf die Schulter geklopft. Gerade diese wenigen Sekunden vor dem Startschuss erinnerten mich deshalb unwillkürlich an das zarte, krümelige Prickeln der süßen Aromen, beim ersten Biss in einen Berliner. So wie man sich dem Gebäck vorsichtig nähern muss, um nicht die Marmelade (Gruß an Alex) verschwenderisch auf die Finger zu verteilen, gilt es anschließend auf den ersten Kilometern entlang der Dalke auf seine Kräfte zu achten, denn der Parcours ist durchaus anspruchsvoll. Ist das geschafft, gilt es die Motivation für die nächsten Abschnitte durch das Gütersloher Umland hochzuhalten. So wie der zupackende Biss in den Hefeteig hinein nur ein einziges Signal vermittelt: "Weiteressen", so motivieren aber beim Silvesterlauf die Streckenhighlights und Zurufe der Zuschauer zum Weitermachen. So passieren wir vor dem landschaftlich reizvollen Rhedaer Forst immerhin ein waschechtes Drei-Flüsse-Eck aus Dalke, Wapel und Ems. Sehr nett.

Irgendwann ist es dann soweit und der Genießer erreicht endlich die kühlende, süße Marmelade, tief im Inneren des Berliners. DiesesHighlight versteckt sich beim Silvesterlauf zweifellos auf der Passage über die Feldwege des urigen Rhedaer Forsts, vorbei an den imposanten Windrädern, ganz in der Nähe des kulturellen Fixpunkts namens Wapelbad. Die jetzt noch verbleibende Distanz ähnelt dem angenehm müden Gefühl, wenn der schwere Teig endlich seine wohlig sättigende Wirkung entfalten kann. Die letzten Kilometer gestalten sich nach dem Abschnitt im Gelände nämlich schon etwas schwerer, aber eben doch noch angenehm. Dafür sorgt schon etwas später wieder der schöne Ausblick auf die verspielt sich dahin windende Dalke. Gefühlt mit dem letzten Bissen laufen wir schließlich auf die bereits erwähnte Sportstätte zu und beenden die Angelegenheit mit einem krönenden Schlussspurt. Hier reicht man dann mit einem anerkennden Lächeln allen Läufern die herrliche Süßspeise, die man in Form einer mentalen Metapher soeben schon genießen konnte. Mit klebrigen Fingern schaute ich noch im Ziel in die Runde und die kritische Frage über das besondere Konzept des Silvesterlaufs hatte nach zweimaliger Wiederholung eine letztlich doch unerwartet klare Antwort gefunden. An diesem letzten Tag des Jahres stand wohl nicht nur für mich fest, dass das Konzept des Post SV uns einen seltenen und sehr kostbaren Moment beschert hat, denn es kann für jeden Läufer nichts Schöneres geben, als wenn es wieder heißt: Ich bin zwei Berliner!

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